DIE ARCHITEKTUR



Wer sind die Architekten des neuen Kranzbach?

Das Planungsteam Kranzbach setzte sich aus drei Teams zusammen. Edinger, Fischbach & Partner, Innsbruck, waren verantwortlich für das gesamte Projektmanagement, den Entwurf der Gesamtanlage, das Interior Design der Neubauten und die Bauleitung. Die Architekten Pedrini und Aufschnaiter, Innsbruck, waren verantwortlich für das gesamte Badehaus und für das Ausschreibungsverfahren. Das Interior Design des historischen „Englischen Schlosses“ erfolgte durch Ilse Crawford, studioilse, London.

Wie lautete die Aufgabenstellung?

Kurz die Ausgangslage: Als wir das erste Mal auf dem Grundstück waren, fanden wir ein 100 Jahre altes charmantes englisches Schloss vor, welches inmitten unberührter Natur auf einem spektakulären 130.000 m? großen Grundstück thront.

Das Objekt und das Grundstück sind perfekt für ein Wellness- und Wohlfühl-Hotel. Als wir zusammen mit den Investoren begannen, die Eckpunkte für das künftige Hotel zu fixieren, wurde  schnell klar, worin das größte Problem bestand: das ganze Gelände stand und steht unter Naturschutz und das historische Mary Portman House ist denkmalgeschützt. Theoretisch durfte also kein zusätzlicher Neubau errichtet werden. Die ersten Gespräche mit den zuständigen Behörden kamen zum Ergebnis, dass zwar notwendige Neubauten ermöglicht werden, diese jedoch von den wichtigsten Perspektiven aus nicht zu sehen sein sollten. Die Aufgabenstellung lag also darin, „unsichtbare“ Gebäudeerweiterungen zu entwerfen, die modernen Hotelanforderungen entsprechen und stark mit der Natur verbunden sind. Da das Raumprogramm ca. 30.000 m? Erweiterungsvolumen vorsah, bereitete uns die Forderung nach „Unsichtbarkeit“ einige Kopfschmerzen…

Was war die  größte Herausforderung in diesem Projekt?

Zuerst einmal mussten wir die Neubaumasse so anordnen, dass man Sie von den wichtigsten Perspektiven aus nicht sehen konnte. Deswegen wurde der Gartenflügel in die bestehende Hangkante eingebaut und das Badehaus auf einem tiefer liegenden Plateau angeordnet. Ebenso wurde die Garage unterirdisch angeordnet.

Eine weitere große Herausforderung war, eine gestalterische Lösung für einen neuen Anbau an das bestehende „Arts and Craft“ Gebäude zu finden. Wir wollten nicht historisieren, aber auch nicht mit einem zu abstrakten Neubau kontern. Ebenso spürten wir, dass wir auch bei der Innenarchitektur einen fließenden Übergang zu den Neubauten finden mussten.

Von einem bautechnischen Gesichtspunkt aus betrachtet, war jeder einzelne Bereich ein Abenteuer.

Das Mary Portman House wurde fast gänzlich ausgehöhlt, um die neuen Brandschutzauflagen zu erfüllen. Es wurden zwei neue Treppenhäuser eingebaut und ein Aufzug integriert. 

Kopfzerbrechen bereitete auch das große Schwimmbecken im Badehaus. Die Auftraggeber wünschten sich einen „endless pool“, also ein Schwimmbecken bei dem das Wasser über den Rinnenstein läuft und man keine Kante mehr sieht. Das bedeutete aber auch, dass das Becken millimetergenau gefertigt werden musste, wir hatten große Befürchtungen, dass der Pool wegen des enormen Gewichtes des Wassers ein paar Millimeter absinkt und das ganze Wasser dann auf der falschen Seite abläuft. Wasser ist ja bekannter Weise erbarmungslos waagrecht…

Mit welchen Baumaterialien wurde gearbeitet und warum?

Bei den Neubauten wurde vor allen Dingen mit Holz gearbeitet um sich vom „steinernen“ Schloss zu differenzieren. Holz ist ein integraler Bestandteil von alpiner Architektur, deswegen wollten wir diesen Baustoff nutzen um der Gegend zu entsprechen und um Wärme in das Projekt zu  integrieren. Wir entschieden uns für Lärchenholz, da dieses ein heimisches Baumaterial ist und warme Farben hat. Außerdem kennt jeder Lärchenholz von den Berghütten beim Ski fahren. Prinzipiell verwendeten wir schlichte, einfache und ehrliche Materialen. Im Badehaus  Sandstein, im Mary Portman House Jura-Quarzit, in den Gartenflügeln einfache weiße Fliesen etc.

Welchen persönlichen Anspruch hatten Sie an der Umsetzung des Projektes?

Vor allen  Dingen  wollten  wir  bei  den  Neubauten  modern  sein  ohne  ein  kaltes  Gefühl  zu erzeugen. Und wir wollten ein Hotel haben, das sich sanft in die Natur integriert. Uns war klar, dass die Herausforderung bei diesem Projekt darin lag, atemberaubende Blicke in die Natur zu ermöglichen, deswegen wollten wir die Neubauten eher schlicht halten, um nicht abzulenken. Eine „Aufsehen erregende“ Architektur benötigte dieses Objekt nicht, es besticht durch die Natur und den Altbestand.

Architektur ist Lebensstil und Zeitgeist – gilt dies auch für Ihren Ansatz bei dem Projekt »DAS KRANZBACH«?

Eigentlich nicht, da ich finde, dass Architektur über den Zeitgeist hinausgehen sollte. Die Schlagworte Lebensstil und Zeitgeist treffen eher auf zeitgenössische Trends zu, Architektur hat eine  gesellschaftliche Verantwortung. Man kann sie nicht wie ein Kleid einfach wieder ausziehen, ein Objekt dieser Größenordnung steht wesentlich länger da, als der Zeitgeist anhält. „Zeitgeistige“ Architektur ist verantwortlich für die architektonischen Katastrophen in den 60er und 70er Jahren.

Ich erlaube mir ein Zitat von meinem großen Vorbild Hans Kollhoff anzubringen: „Alles Zeitgeistige ist mir fremd. Daraus kann man Freizeitmode machen, aber keine ernsthafte Architektur.“ (Planet- interview.de, 21. Oktober 2005).

Mary Portmann, die Erbauerin des Schlosses Kranzbach, galt als sehr exzentrisch. Haben Sie diesen Wesenszug in der Architektur oder im Interieur umgesetzt?

Mary Portman war beim Interior Design eine große Hilfe. Uns war klar, dass sie eine selbstbewusste Frau mit modernen Auffassungen war. Sie war unverheiratet, Künstlerin, und wollte damals einfach aus ihren gesellschaftlichen Fesseln entkommen. Sie hätte auch die Einrichtung unkonventionell gelöst. Also spielten wir ein kleines Gedankenspiel: Wie würde der Altbestand aussehen, wenn Mary nie gestorben wäre? Sie hätte wahrscheinlich aus jeder Epoche moderne Möbel gekauft und sie zu einem Gesamtensemble kombiniert. Mary war unser geistiger Sparring-Partner, bei jeder Entscheidung fragten wir uns, was Mary jetzt wohl aussuchen würde. Aus diesem Grund haben wir im MP House eine Collage aus den besten Möbel Design Klassikern der letzten hundert Jahre erstellt,  und uns nicht auf eine einzige Stilrichtung beschränkt. Das Ergebnis war ein Berg von Arbeit, die  Möbel, Leuchten und Teppiche im MP House wurden von über 160 unterschiedlichen Lieferanten bestellt. Eine Mitarbeiterin von uns war über ein halbes Jahr nur mit der Abwicklung der Bestellungen beschäftigt.

Können Sie mir einige Details dazu nennen?

Um diese Frage zu beantworten erlaube ich mir die Einrichtungsgegenstände  eines einzelnen Zimmertyps im Mary Portman Haus aufzuzählen:

Chaiselounge von Poltrona Frau (entworfen 1930), englischer Polstersessel (Antiquität ca. 1910), Thonet Tisch (entworfen 1965), Nachttischlampe Midgard (entworfen 1980), Stehlampe Europa Design (entworfen 1950), Aston Mathews Badezimmerausstattung (entworfen 1890), Badezimmerlampe Paper Studio Job (entworfen  1908), Hängeleuchte Golden Bell (entworfen 2003), Tapeten Timerious Beastes (entworfen 2005) etc.

Dies ist nur ein Zimmertyp, im Altbestand haben wir 3 unterschiedliche Styles realisiert. Man findet also eine Möbelvielfalt aus über 100 Jahren Design Geschichte komprimiert in einem Raum. Um ein stimmiges Gesamtbild zu schaffen haben wir diese Möbel mit farblich aufeinander abgestimmten Stoffen bezogen, teilweise haben wir eigene Möbel entworfen um eine sinnvolle Ergänzung zu finden.

Einige Stehleuchten wurden eigens von einem Tischler gedrechselt und in einer  Mercedeswerkstatt hochglanzlackiert, die Lampenschirme kamen dann aus London. Die Nachtische ließen wir auch nach eigenen Entwürfen anfertigen, die Bettrückhäupter, die der Form eines klassizistischen Häuserdaches nachempfunden sind, ebenso.

In Bregenz fand im Oktober 2007 ein Symposium unter dem Motto „Architektur macht Gäste“ statt. Wie stehen Sie dieser Aussage gegenüber?

Wenn man die wirklich erfolgreichen Hotels des Alpenraumes genauer unter die Lupe nimmt, stellt man fest, dass Architektur eher selten für den Erfolg eines Hotels verantwortlich ist. Die Giganten der alpenländischen Top-Hotellerie haben eine Sache gemeinsam:

Diese Hoteliers haben ihr Hotel wirklich gut im Griff, vor allen Dingen zählt die niemals nachlassende Leistung am Gast. Natürlich kann gute Architektur ein Alleinstellungsmerkmal produzieren, leider ist die zeitgenössische moderne Architektur in den  letzten Jahren selten ein Erfolgsgarant gewesen, eher im Gegenteil. Bei dem Projekt »DAS KRANZBACH« haben wir ganz bewusst die Architektur in den Hintergrund gerückt da das Alleinstellungsmerkmal die spektakuläre Naturkulisse ist. Was mich sehr erschreckt ist, dass die erfolgreichste Architektur im Alpenraum noch immer das „Lederhosen-Imitat“ zu sein scheint. Und da der Markt das Produkt bestimmt, scheint das Problem die Mischung aus der Gesellschaftsuntauglichkeit der zeitgenössischen modernen Architektur und des mangelnden Geschmackes eines Teiles des Publikums zu sein.

Die Architektur ist die 1. Visitenkarte eines Hotels. Für welche Botschaften steht sie?

Ein Gast kann aus der Architektur eines Hauses mehrere Informationen ableiten. Die erste Botschaft signalisiert die gebotene Qualität. Eine andere gibt Aufschluss über den Geschmack der Besitzer und Betreiber des Objektes. Ich glaube, es würde den Rahmen dieses Interviews sprengen, wenn ich weiter gehen würde, über das Thema Architektur und seine Lesbarkeit könnte man ganze Bücher füllen, viele Architekturen basieren auch ganz bewusst darauf, mehrfache Lesbarkeiten zuzulassen.

Im RelaxGuide 2008, in dem »DAS KRANZBACH« die höchstmögliche Bewertung erhielt, heißt es: „Die sicher mutigste Geste des 21. Jahrhundert“. Was sagen Sie dazu?

Sicherlich ist »DAS KRANZBACH« nicht die mutigste Geste des 21. Jahrhunderts. Es ist einfach ein neuartiges Hotel, das versucht hat, Altes mit Neuem zu verbinden. Spektakulär und einzigartig sind die Naturkulisse und die landschaftlichen Qualitäten. Die Architektur hat dadurch brilliert, in dem sie sich unterordnete und der Natur und dem Altbestand den Vorzug ließ. Ich würde die oben genannte Aussage eher dahingehend umformulieren, dass »DAS KRANZBACH« einfach eines der besten und interessantesten Hotels im Alpenraum ist.




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